Orchester Zofingen

1993

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Zofinger Tagblatt, 2. April 1993:

Frühjahrskonzert des Orchestervereins Zofingen

Musikalische Hürden gemeistert

Mit einem Programm bestehend aus Kompositionen von Amalie von Preussen, Luigi Boccherini, Georg Friedrich Händel und Anton Filtz schloss der Orchesterverein Zofingen am Mittwoch die Konzertsaison 1992/93 ab. Höhepunkt eines Abends, während dem die Laienmusiker zum Teil auch hohe musikalische Hürden zu meistern wussten, war zweifelsohne Filtz' Konzert für Violoncello und Streichorchester in G-Dur, bei welchem Solist Christoph Weibel zu brillieren vermochte.

Von Ralph Kertscher

Als «gewagt» bezeichnete Charles Veuve, Präsident des Orchestervereins Zofingen (OVZ), in seinem Vorwort an Gönner, Passivmitglieder und Musikfreunde die Tatsache, dass das Laienensemble nach zwei Konzerten des Aargauer Symphonieorchesters und dem Auftritt der Gstaader Camerata Lysy vor ein «kritisches Publikum» trete. Gewagt war der Auftritt des OVZ an sich, ist die Erwartungshaltung des Publikums gegenüber erwähnten Laienmusikern auch dann noch anders als beim Gastspiel eines Profiensembles, wenn die Eintrittspreise kaum mehr zu unterscheiden sind.

Gewagt War allenfalls ein Teil des Programms. Erwähnte kritische Zuhörernaturen dürften nämlich bei Amalie von Preussens seicht im Viervierteltakt dahinplätschernden «vier Regimentsmärschen» und bei Luigi Boccherinis mehrheitlich ecken- und kantenloser C-Dur-Sinfonie (die zum Teil doch reizvollen Streicherduette des Werks sollen hier als löbliche Ausnahmen nicht unerwähnt bleiben) nur begrenzt auf ihre Kosten gekommen sein.

Wohlgemerkt: Das Problem liegt nicht bei der zweifelsohne mit nicht unerheblichem Probeaufwand einstudierten Interpretation der Konzertierenden, es liegt vielmehr bei den Kompositionen selbst beziehungsweise deren Auswahl. Das Dilemma ist bekannt: Die (zeitliche) Kapazität der Laienmusiker ist ebenso beschränkt wie die Auswahl an spielbaren Stücken. Kompromisse dieser Art sind wohl unumgänglich, will man ein abendfüllendes Programm auf die Bühne bringen.

Mit viel Herz musiziert
Im Vergleich zum flachen Vorteil waren die Werke Händels und Filtz‘s, deren lebendiges Bild der Orchesterverein mit viel Herz positiv zu prägen vermochte, eine echte Wohltat. Händels Concerto grosso (opus 16, Nr.3) beispielsweise ist ein ausserordentlich facettenreiches Werk, dessen unterschiedliche Stimmungen die von Cembalistin Corinne Grendelmeier und Konzertmeister Matthias Sager unterstützten Ausführenden unter der Leitung von Nicolas Buicà ausgezeichnet zum Ausdruck zu bringen vermochten. Gerade die homogenen, bisweilen schwermütigen Phrasen des Largo verlangen ein hohes Mass an Musikalität, um nicht in die Langeweile abzugleiten. Und dass der OVZ auch in der Lage ist, höhere technische Hürden zu meistern, bewies er im abschliessenden Allegro.

Der bereits im Alter von 30 Jahren verstorbene deutsche Komponist Anton Filtz gehört zu den Protagonisten jener Mannheimer Schule, die entscheidende Elemente zur Ausbildung des Instrumentalstils der Wiener Klassik beitrug. Der Cellist der Mannheimer Hofkapelle war und ist in erster Linie für seine ausdrucksstarken Cello- und Flötenkonzerte sowie einige Sinfonien, Triosonaten, Streich- und Klavierkonzerte und Messen bekannt.

Beeindruckende Musikalität und Ausstrahlung
Sein Konzert für Violoncello und Streichorchester in G-Dur verdient Beachtung. Das kontrastreiche, ausdrucksstarke Werk sprüht vor Ideen und Phantasie. Dass es für die Zuhörer im Stadtsaal zum Genuss wurde, ist in erster Linie das Verdienst Christoph Weibels. Der an den Musikschulen Zofingens und Langenthals tätige Cellist weist sich nicht nur über eine beeindruckende Musikalität aus, er verfügt auch über die nötige Ausstrahlung, verstand es, dem Werk eine persönliche Note zu verleihen. Die Kadenz des Allegro war nur eine jener Stellen, in denen der Solist zu brillieren vermochte. Die von ihrer gestalterischen Vielfalt lebende Komposition bot ihm auch ansonsten genügend Profilierungsfläche.

Herzlicher, langanhaltender Applaus belohnte Orchester wie Solisten für den gelungenen Höhepunkt des Abends. Mit einer Zugabe in Form eines «Kindermärschchens», einer leichtfüssigen, frechen und witzigen Komposition Sergej Prokofjews, wurde letzterer von Christoph Weibel gleich selbst beschlossen.

Zofinger Tagblatt, 23. November 1993:

Herbstkonzert des Orchestervereins Zofingen

Von erfreulich hohem Niveau
Der Orchesterverein Zofingen hatte auf den frühen Sonntagabend zu seinem Herbstkonzert in den Stadtsaal eingeladen, und viele Musikfreunde haben dieser Einladung Folge geleistet. Sie mussten ihren Besuch auch nicht bereuen, denn das Konzert war von erfreulich hohem Niveau.

Von Peter A. Preiswerk

Von seinem Dirigenten Nicolas Buicà sorgfältig vorbereitet und ebenso sorglich geleitet, wagte sich der Orchesterverein Zofingen am Sonntag gegen Abend an eine anspruchsvolle Aufgabe heran. Auf dem Programm standen zwei Werke von Ludwig van Beethoven, die Ouvertüre zum Ballett «Die Geschöpfe des Prometheus» und das Klavier-Konzert Nr. 1 in C-Dur. lm Mittelteil stand die Uraufführung der Suite für kleines Orchester von Heinrich Schweizer. Es handelte sich dabei um eine Auftragskomposition des Orchestervereins, zu der auch das Kuratorium einen Beitrag geleistet hatte.

Die Beethoven-Ouvertüre mit ihrem recht pompösen Anfang wurde ruhig und getragen, zeitweise auch feierlich vorgetragen, wobei das Orchester die tänzerisch-beschwingten Partien exakt und musikantisch spielte. Mitunter wirkten allerdings die tiefen Lagen etwas zu stark und zu ausgeprägt, wie überhaupt die ersten Geigen mitunter etwas Mühe zeigten, sich völlig durchzusetzen.

Heinrich Schweizer hat in seiner Suite versucht, Jugendeindrücke in Musik umzusetzen, die er in der Schweiz erlebt hat, wobei bei allem Frohsinn ein Hauch von Melancholie nie zu verkennen ist. Sein Werk fordert das Ensemble wie den Orchesterverein, überfordert sie aber nicht, und die Originalität dieses elf Sätze umfassenden Werkes ist unbestritten. Es sind Klangbilder, eigentliche Bilder aus Klängen, deren Stimmungen durch die Aufführenden auf überzeugende Weise ausgelotet wurden. Neben getragenen, eher wehmütigen Partien gibt es bukolisch-tänzerische Teile, einen sirrenden Tanz der Mücken, Anklänge an das Alphorn und an Hirtentänze, aber auch andachts- und weihevolle Passagen und einen sich ins Gewaltige steigernden Schluss. Der Komponist wohnte der Uraufführung bei und durfte den Beifall des Publikums entgegennehmen.

Solistin des Abends war Anna Merz-Litschig, der man attestieren darf, dass ihr Spiel im Laufe der letzten Jahre enorm an Ausdruckskraft gewonnen hat. Sie wirkte stets gelöst, spielte ruhig und gelöst, und ihr Spiel war durchwegs klar, eindeutig und von schöner Geläufigkeit. lm zweiten Satz, einem innigen Largo, befliss sich Anna Merz der nötigen Zurückhaltung, um dann im dritten Satz, dem Rondo, ganz aus sich herauszugeben. Dass sie sich dabei hin und wieder vergriff, vermag dem guten Eindruck, den man von ihrem Spiel gewann, keinen Abbruch zu tun! Schön war das Zusammenspiel mit dem Orchester, das sich gerade hier in seiner besten Form zeigte. Manchmal hätte man allerdings eine etwas leichtere, durchsichtigere Interpretation dieses stark .dem 18. Jahrhundert verbundenen Werkes gewünscht.

Das zahlreich erschienene Publikum, darunter erfreulich viele Jugendliche, gab seiner Begeisterung über die Leistung von Orchester und Solistin auf ungewöhnlich herzliche Weise Ausdruck und erzwang mit seinem Beifall von Anna Merz-Litschig eine besonders schön gespielte Zugabe.